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Richtig dimensionieren: Bedarfsgerechte Auslegung von Hochtemperatur-Wärmepumpen

„Da wächst du schon noch rein“: Was bei Kinderbekleidung gelten mag, ist bei der Erzeugung von Prozessdampf und -wärme mit Hochtemperatur-Wärmepumpen der falsche Ansatz. Die Auslegung von Wärmepumpensystemen in der Industrie erfordert neue Strategien, um Energieverschwendung vorzubeugen und Kosten zu optimieren. Wir haben bereits entsprechende Strategien implementiert und erklären, wie sie funktionieren.

Ansatz zur Dekarbonisierung der Industrie

Kostenoptimierte und energieeffiziente Nutzung von Prozesswärme

Der fortwährend hohe Bedarf an Prozesswärme und Prozessdampf in der Industrie bringt – angesichts hoher Energiepreise und dem gleichzeitigen Ziel zu dekarbonisieren – immer mehr Unternehmen dazu, ihre Wärmeerzeugung und -nutzung zu überdenken oder zumindest auf den Prüfstand zu stellen. In diesem Beitrag beleuchten wir den Right-Size-Ansatz zur optimalen Auslegung von Hochtemperatur-Wärmepumpen: Ein Ansatz, der auf die bedarfsgerechte, hochgradig kostenoptimierte und energieeffiziente Nutzung von Prozesswärme abzielt und dabei die Dekarbonisierung vorantreibt.

Industriewärmepumpen optimal dimensionieren

Die gute Nachricht: Hersteller von Industriewärmepumpen machen sich bereits seit geraumer Zeit Gedanken darüber, wie Wärmesysteme dimensioniert und ausgelegt werden müssen, um bedarfsgerecht und kostenoptimiert zu arbeiten. Denn: Zu groß denken kann jeder – die Kunst besteht darin, Industriewärmepumpen so zu dimensionieren, dass sie den anliegenden Wärmebedarf jederzeit abdecken können, ohne überdimensioniert zu sein. So lassen sich die System- und Energiekosten besonders effektiv senken und die Klimavorteile von Wärmepumpen optimal nutzen.

Die traditionelle Auslegung von Prozesswärmesystemen: oft überdimensioniert

Um zu verstehen, wie der Right-Size-Ansatz funktioniert, müssen wir uns zunächst ansehen, wie Heizkessel zur Erzeugung von Prozessdampf und Heißwasser bislang dimensioniert wurden.

Bei der Auslegung traditioneller Wärmesysteme konzentrierte man sich in der Vergangenheit jeweils auf die höchste Temperatur, die innerhalb eines spezifischen industriellen Prozesses benötigt wird. Ziehen wir die Erzeugung von Prozessdampf als Beispiel heran: Zahlreiche industrielle Prozesse arbeiten nach wie vor mit Dampf, der mittels fossiler Energieträger erzeugt wird.

Der bisherige technische Ansatz zur Dimensionierung solcher Systeme sieht, vereinfacht ausgedrückt, so aus:

  1. Identifikation der Wärmesenke im System oder in der Anlage, die die höchsten Ansprüche an die Temperatur und Druckdes verwendeten Dampfes stellt.
  2. Summierung aller maximalen thermischen Lasten in der gesamten Anlage.
  3. Auslegung eines Wärmesystems, das die summierte Wärmeleistung plus Sicherheitsmargen des Systems liefern kann. Dabei wird das System so ausgelegt, dass dauerhaft die Anforderungen erreicht werden können, die von der ‚anspruchsvollsten‘ Wärmesenke benötigt wird.
  4. Anpassung von Temperatur und Druck des Prozessdampfes in den Teilen des Systems oder der Anlage, in denen geringere Anforderungen bestehen. Bedeutet konkret: Dampftemperatur und- druck werden ‚herunterreguliert‘, beispielsweise durch Ventile. Dabei geht jedoch ungenutzte Energie verloren.

In der Vergangenheit hat sich dieser Ansatz bei der Auslegung von Wärmesystemen als zuverlässig und effektiv erwiesen. Effektiv, aber nicht effizient: Die einberechnete Flexibilität des Systems und die Unsicherheit hinsichtlich der Prozessanforderungen führen zu immenser Energieverschwendung.

Stellen Sie sich beispielsweise vor, dass Sie jeden Tag mehrere Tassen Tee trinken. Dieser erfordert eine Brühtemperatur von 80 Grad Celsius. Sie erhitzen Ihr Wasser aber im Wasserkocher auf 100 Grad Celsius und lassen es dann abkühlen. Nun stellen Sie sich vor, dass Ihr Wasserkocher ein Volumen von 50.000 Litern hat und an sieben Tagen in der Woche ununterbrochen Wasser kocht, obwohl Sie nur in Ausnahmefällen 100 Grad Celsius heißes Wasser benötigen und 80 Grad Celsius fast immer ausreichend sind. Das ist energetisch ineffizient und somit auch nicht wirtschaftlich.

Der Right-Size-Ansatz bei Hochtemperatur-Wärmepumpen: effizient und wirtschaftlich

Mit Industriewärmepumpen zur Erzeugung von Prozesswärme und Prozessdampf lässt sich der traditionelle Ansatz umkehren: Man legt diese Systeme auf den Grundbedarf der Anlage aus und passt die Wärmeerzeugung entsprechend auf die höheren Temperaturanforderungen einzelner Prozesse an.

  1. Identifikation eines sinnvollen Wärmeniveaus, d.h. der benötigten Leistungen bei verschiedenen Temperaturniveaus und Wahl der Niveaus nach relevanten Kriterien wie zum Beispiel Leistung oder vorhandene Abwärmepotenziale.
  2. Identifikation höherer erforderlicher Temperaturniveaus einzelner Prozesse in der Anlage bzw. im Werk.
  3. Auswahl entsprechender Technologien für die erforderlichen, höheren Dampf- bzw. Wassertemperaturen: Das können etwa Booster-Industriewärmepumpen, gasbetriebene oder elektrische Heizkessel oder MVR-Systeme (Mechanische Brüdenverdichtung bzw. Dampfkompression) sein, die Druck und Temperatur des Dampfes bei Bedarf anheben können, die allerdings im Vergleich zum klassischen Ansatz der Auslegung ggf. kleiner dimensioniert werden können.
  4. Auslegung der Wärmepumpe nach vorhandenen Abwärmepotenzialen und der jeweils benötigten Grundlast auf Basis des erforderlichen Temperaturniveaus– so dass der Grundbedarf der Anlage dauerhaft bedient wird. Bei Bedarf kann durch die gewählten, unterstützenden Technologien auf höhere Temperaturen oder Drücke bei einzelnen Fertigungsschritten angepasst werden. Somit geht nahezu keine ungenutzte Energie verloren.

Dieser Right-Size-Ansatz senkt den Strombedarf und den Energieverbrauch des gesamten Systems. Das führt zu niedrigeren Systemkosten, weil die eingesetzten Wärmeerzeuger entsprechend kleiner ausgelegt werden können und nicht dauerhaft laufen müsen. Die Bereitstellung der jeweils höheren Temperaturanforderungen dieser Systeme erfolgt dann beispielsweise über separat zugeschaltete Booster-Wärmepumpen oder über elektrische Heizkessel. Auch die Betriebskosten und die Umweltbelastung reduzieren sich so merklich.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es in den meisten Fällen sinnvoll ist, die Wärmepumpe so auszulegen, dass entweder die vorhandene Abwärme optimal genutzt wird oder, falls diese unbegrenzt zur Verfügung steht, die Wärmesenke optimal bedient wird. Da sich die Investition in eine Wärmepumpe mit zunehmender Betriebsdauer schneller amortisiert, wird diese häufig für den Grundlastbetrieb ausgelegt und die Spitzenlast anderweitig erzeugt. Ist das Ziel hingegen eine maximale CO2-Einsparung, ist eine Auslegung auf Spitzenlast sinnvoll.

Chancen des Right-Size-Ansatzes bei Industriewärmepumpen

Globale Daten der US-amerikanischen Non-Profit-Forschungsorganisation American Council for an Energy-Efficient Economy (ACEEE) zeigen, dass der Gesamtenergieverbrauch industrieller Wärmesysteme um 40 bis 60 Prozent gesenkt werden kann, wenn Anlagen zur Erzeugung von Prozessdampf und Prozesswärme auf Basis fossiler Energieträger durch optimal dimensionierte Industriewärmepumpen abgelöst beziehungsweise verkleinert werden.

Der Right-Size-Ansatz ermöglicht eine bedarfsgerechte Erweiterung der Komponenten zur Dampferzeugung, wodurch andere Anlagenbestandteile kleiner dimensioniert und ihre Betriebszeiten reduziert werden können. In Kombination mit anderen regenerativen Wärmeerzeugern wie Elektrodendampferzeugern oder der Nutzung von Biomethan und Wasserstoff entstehen bedarfsgerechte und dennoch stark kostenoptimierte Wärme- und Dampferzeugungslösungen. Ebenso kann eine schrittweise Umstellung von fossilen Brennstoffen auf eine dekarbonisierte Prozesswärmeerzeugung erfolgen.

Hochtemperatur-Wärmepumpen nutzen Abwärme auf niedrigem Temperaturniveau, um über den sogenannten Temperaturhub Wärme auf einem höherem Temperaturniveau bereitzustellen. In vielen Fällen ist es beim Einsatz von Hochtemperatur-Wärmepumpen möglich, von zentralen zu modularen Dampferzeugungssystemen überzugehen, was eine bessere Prozesssteuerung durch fortschrittliche, digitale Technologien ermöglicht.

Diese Modularität bedeutet etwa, dass Teile des Wärmesystems abgeschaltet werden können, wenn sie nicht benötigt werden, ohne die gesamte Anlage abschalten zu müssen. Die inhärente Effizienz von Hochtemperatur-Wärmepumpen reduziert in den meisten Anwendungsszenarien die Anforderungen an die Stromversorgung, den Stromverbrauch und den CO2-Ausstoß.

Dieser Ansatz erfordert häufig noch ein Umdenken: Die bedarfsgerechte Auslegung von Wärmesystemen kann bei Projektverantwortlichen zu Unsicherheiten bezüglich der Leistungsfähigkeit und Ausfallsicherheit des Systems führen. Unsere Beratungsgespräche mit Auftraggebern und unsere Erfahrungen bei der Umsetzung entsprechender Projekte zeigen: Diese Sorgen sind unbegründet. Prozesswärmesysteme, die nach dem Right-Size-Ansatz dimensioniert werden, sind leistungsfähig, zuverlässig, ausfallsicher und liefern selbstverständlich jederzeit die benötigte Prozesswärme in der gewünschten Qualität. Sie arbeiten aber sparsamer und effizienter als überdimensionierte Anlagen. Bei der Dampf- und Wärmeerzeugung gilt heute: Leistungsoptimierung statt Leistungsmaximierung.

Fazit: Die bedarfsgerechte Auslegung von Hochtemperatur-Wärmepumpen senkt Betriebskosten und verbessert die Umweltbilanz

Der Right-Size-Ansatz bei der Auslegung von Hochtemperatur-Industriewärmepumpen stellt einen entscheidenden Fortschritt in der energieeffizienten Prozesswärmeerzeugung dar. Anstatt auf überdimensionierte Systeme zu setzen, die unnötig Energie und Ressourcen verbrauchen, ermöglicht dieser Ansatz eine bedarfsgerechte und kostenoptimierte Dimensionierung von Wärmesystemen nach dem Motto: „So viel wie nötig und so wenig wie möglich“.

Anführungszeichen

Beim Dampfdruck gilt:

„So hoch wie nötig, so niedrig wie möglich“

Die Anpassung der Prozesswärmeerzeugung an den tatsächlichen Bedarf hilft Unternehmen dabei, sich zukunftssicher aufzustellen, ihre Betriebskosten erheblich zu senken und ihre Umweltbilanz entscheidend zu verbessern.

Zukunftsweisend ist dabei die Modularität und Flexibilität von Hochtemperatur-Wärmepumpen: Sie ermöglicht es, einzelne Systemteile je nach Bedarf zu- oder abzuschalten. Diese Anpassungsfähigkeit ermöglicht eine bessere, präzisere Prozesssteuerung, eine angebotsorientierte Nutzung von Energie und deutliche Einsparungen bei den Energiekosten. Auch wenn es teilweise noch Unsicherheiten und Beratungsbedarf bei der Auslegung nach dem Right-Size-Ansatz gibt, ist klar: Die Zeiten überdimensionierter Prozesswärmesysteme sind vorbei. Der Weg führt hin zu maßgeschneiderten, effizienteren Lösungen, die optimale Leistung statt maximaler Leistung bieten – wie beispielsweise die von SPH entwickelte, modulare Industriewärmepumpe ThermBooster™.

Der Industrie eröffnen sich auf diese Weise nicht nur wirtschaftliche Vorteile, sondern auch die Möglichkeit, aktiv zum Klimaschutz und zur Energiewende beizutragen. Das macht Unternehmen nicht nur nachhaltig, sondern nachhaltig wirtschaftlich und nachhaltig erfolgreich.

 

Quelle: ACEEE-Studie, Stop the Waste: Using Industrial Heat Pumps to Rethink Thermal Loads, ACEEE Topic Brief, Februar 2024, H. Chen, N. Elliott, A. Hoffmeister
Wir beraten Sie gerne.

Sie möchten mehr über die bedarfsgerechte Auslegung Ihres Wärmeerzeugungssystems erfahren? Gerne beraten wir Sie, wie der ThermBooster™ Ihre Anlagen und Prozesse kosteneffizient und nachhaltig machen kann.

Dr. Tim Hamacher – Geschäftsführer bei SPH Sustainable Process Heat GmbH
Geschäftsführer

Dr. Tim Hamacher

Andreas Mück – Geschäftsführer der SPH Sustainable Process Heat GmbH
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Andreas Mück

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