Vorausschauend denken: Zukunftsperspektiven und Marktpotenziale von Hochtemperatur-Wärmepumpen
Die Dekarbonisierung industrieller Produktionsprozesse schreitet voran. Politische, wirtschaftliche und technologische Rahmenbedingungen ermöglichen schon heute einen Blick darauf, in welchen Spielräumen und Spannungsfeldern sich die Erzeugung von industrieller Prozesswärme in Zukunft bewegen wird – Hochtemperatur-Wärmepumpen und andere Power-to-Heat-Technologien werden dabei eine elementare Rolle spielen. Ein Ausblick.

Industrielle Transformation im Zeichen der Energiewende
Die Industrie als größter Energieverbraucher: Ungenutzte Potenziale und steigender Handlungsdruck
Kein anderer Sektor hat in Deutschland einen so großen Anteil am Gesamtenergiebedarf wie die Industrie: Knapp 30 % der hierzulande verbrauchten Energie entfällt auf den Industriesektor – davon entfallen wiederum zwei Drittel auf die Erzeugung von Prozesswärme. 2018 nutzte die Industrie somit rund 20 % des gesamten Endenergiebedarfs Deutschlands allein für die Prozesswärmeerzeugung. In der EU zeigt sich ein ähnliches Bild: 66 % des industriellen Energieverbrauchs entfallen auf die Prozesswärme. Hiervon entfallen 37 % auf den Temperaturbereich bis 200 °C und 25 % auf den Temperaturbereich zwischen 100 und 200 °C.

Noch erstaunlicher: Bislang bleiben große Anteile der Abwärme aus industriellen Prozessen – in Deutschland 460 Terawattstunden (TWh) Energie pro Jahr – ungenutzt [1]. Allzu häufig wird dabei sogar noch zusätzliche Energie aufgewendet, um die Abwärme abzukühlen, bevor sie an die Umwelt abgegeben wird.
Einsparpotenziale in der Industrie bis zu 33 %
Eine Kurzstudie der Hochschule Niederrhein zeigt, wie groß das Einsparpotenzial in dieser Hinsicht ist: Maßnahmen wie Wärmerückgewinnung, Elektrifizierung und Abwärmenutzung bieten demnach Einsparpotenziale von bis zu 33 % des Endenergiebedarfs der Industrie – das entspricht etwa 226 TWh pro Jahr. Rund 21 Milliarden Euro Energiekosten könnten auf diese Weise eingespart werden. 63 % der Einsparpotenziale gelten zudem als marktnah, sie amortisieren sich also innerhalb von drei Jahren. Allein die sofort umsetzbaren Maßnahmen ermöglichen der Studie zufolge Einsparungen in Höhe von 12,8 Milliarden Euro.
Lange Zeit existierte in dieser Hinsicht kein unternehmerischer Handlungsbedarf – zumindest kein wahrgenommener: Erdgas war und ist aktuell günstiger als Strom, Gasverträge für Abnehmer aus der Industrie waren vergleichsweise günstig, der Optimierungsdruck war entsprechend gering.
„Anreize zur Transformation waren lange Zeit eben nicht spürbar – das hat sich inzwischen geändert.“
Dr. Tim Hamacher, Geschäftsführender Gesellschafter
Das wird voraussichtlich aber nicht mehr lange so bleiben: Der in Zukunft deutlich steigende CO2-Preis sowie steigende Netzentgelte werden fossile Energieträger weiter verteuern. Fernwärmepläne und die Elektrifizierung industrieller Prozesse führen schon jetzt dazu, dass immer weniger Akteure an die Gasnetze angeschlossen sind – somit müssen sich immer weniger Zahlende die ohnehin schon steigenden Netzentgelte teilen, was die Kosten weiter in die Höhe treibt.
Transformation von Prozesswärme
Zusätzlich planen die ersten Gasnetzbetreiber bereits die Stillegung von Gasnetzen, so etwa in Mannheim, wo die MVV Energie AG das Gasnetz bis 2035 aufgrund der geplanten Klimaneutralität bis 2045 stilllegen möchte. Das besonders industriestarke Bayern soll indes bereits 2040 klimaneutral sein. Nun wird die Industrie dazu aufgefordert, frühzeitig passende Lösungen zu finden: „Für Industrieunternehmen geht es vor allem um die Transformation der Prozesswärme. Dabei gibt es keine pauschale Lösung“, erklärt MVV-Vertriebsvorstand Ralf Klöpfer. „Vielmehr braucht es individuelle Ansätze, die auf die jeweiligen Bedürfnisse und Prozesse der Unternehmen abgestimmt sind. Dabei empfiehlt sich ein technologieoffener Ansatz, der neben Wasserstoff beispielsweise auch Hochtemperaturwärmepumpen, Power-to-Heat-Lösungen, die Nutzung von Abwärme oder Biomasse bzw. die thermische Reststoffverwertung umfasst.“
Werden Biomethan und Wasserstoff künftig wirtschaftlich sein?
Bei allem Verständnis für Technologieoffenheit bleibt jedoch festzustellen: CO2-neutrale oder -reduzierte Gase wie Biomethan oder grüner Wasserstoff dürften auf absehbare Zeit knapp und entsprechend teuer bleiben. Zu dieser Einschätzung kommt auch die Stadt Hamburg, die ebenfalls von einer Stilllegung der Gasnetze ausgeht. Auf der Website der Hansestadt heißt es mit Blick auf grünen Wasserstoff: „Auch in absehbarer Zukunft wird Wasserstoff ein knapper, wertvoller und mittel- bis langfristig teurer Brennstoff bleiben“, womit fraglich sei, ob der Einsatz dieser Energieträger dort, wo er nicht unbedingt erforderlich ist, künftig wirtschaftlich sei. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) geht im Hinblick auf Biomethan und Wasserstoff für das Jahr 2030 von Preisen zwischen 37,50 Euro/MWh und 134 Euro/MWh aus [2], wobei das obere Ende dieser Preisspanne wohl als deutlich realistischer einzuschätzen ist. Zum Vergleich: Laut Daten der European Energy Exchange AG lagen die Gaspreise im Großhandel Anfang Januar 2025 bei knapp 50 Euro/MWh.[3]
Schlüsseltechnologie Hochtemperatur-Wärmepumpen
Auch das Fraunhofer ISE kommt in vier möglichen Zukunftsszenarien zwischen „Technologieoffenheit“ und „Beharrung“, die im Rahmen einer Studie [4] simuliert wurden, zum Ergebnis, dass Hochtemperatur-Wärmepumpen für Prozesswärme bis 200 °C in jedem Fall eine Schlüsseltechnologie darstellen werden. Sie haben demnach das Potenzial, bis 2045 zwischen 44 % und 64 % der Niedertemperaturprozesswärme bereitzustellen.
Einige dieser Entwicklungen zeichnen sich schon jetzt ab, bedingt auch durch geopolitische Spannungen, Lieferschwierigkeiten, regulatorische Rahmenbedingungen und zunehmenden politischen Protektionismus: Der Industriestrompreis lag 2024 gut 30 % unter dem Wert des Vorjahres, während der Gaspreis für Industriekunden im gleichen Zeitraum nur um knapp 20 % zurückging. Zwar sind dabei sicherlich noch Nachwirkungen der Energiekrise 2022 zu spüren – aufgrund der oben angeführten Entwicklungen dürfte Erdgas sich in Zukunft aber weiter und schneller verteuern, während die Strompreise nicht in gleichem Maße ansteigen dürften.[5]
Und die Industrie? Muss schon heute Wege finden, um diesen Entwicklungen vorausschauend Rechnung zu tragen.
Krisenunabhängig, autark, effizient und klimaschonend: Die Elektrifizierung der Prozesswärmeerzeugung
Wirtschaftliche, ökologische und regulatorische Rahmenbedingungen erfordern ein Umdenken bei der Erzeugung, Bereitstellung und Wiederverwendung von Prozesswärme. Das gilt besonders für die Fertigungsindustrie abseits der Stahlherstellung und -veredelung, die meist Prozesswärme oder -dampf im Bereich zwischen 100 und 200 °C benötigt.
Dazu gehören etwa folgende Branchen:
- Chemie- und Pharmaindustrie
- Fertigungsindustrie
- Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie
- Papier- und Textilindustrie
Hochtemperatur-Wärmepumpen arbeiten schon heute effizient in diesen Temperaturbereichen – dabei bieten sie je nach Einsatzgebiet, Abwärmetemperatur, Wärmesenkentemperatur und dem somit erforderlichen Temperaturhub bereits jetzt bemerkenswerte wirtschaftliche Vorteile gegenüber fossiler Prozesswärmeerzeugung. Vorteile, die in Zukunft noch deutlicher zutage treten dürften.
Das belegt auch die Situation in den skandinavischen Ländern, die zugleich einen Ausblick darauf gestattet, wo die Reise hinführt: Befeuert durch geringe Preisunterschiede zwischen Strom und Gas setzen Schweden, Finnland, Norwegen und Dänemark schon lange auf Strom als zuverlässigen, weitestgehend autarken, krisenunabhängigen, effizienten und klimafreundlichen Energieträger zur Prozesswärmeerzeugung. Entscheidungen, die spätestens seit dem Ukrainekrieg auch im deutschsprachigen Raum immer häufiger zum Umdenken führen.
Gesetzgeber setzen aktuell die Leitplanken – unterstützen die Reise aber auch finanziell
Regulatorische Rahmenbedingungen in Deutschland und Europa bilden zunehmend die Leitplanken für die Elektrifizierung der Prozesswärmeerzeugung. Dabei stehen Hochtemperatur-Wärmepumpen im Fokus der Gesetzgeber, da sie dazu prädestiniert sind, die Umsetzung der ambitionierten Klimaziele der EU zu unterstützen.
„Deutschland und die EU greifen der Industrie hier finanziell unter die Arme.“
Christoph Rau, Vertriebsmanagement
Politische Leitlinien vom European Green Deal bis hin zum deutschen Klimaschutzgesetz, die im Einklang mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens unsere Energieerzeugung und Prozessindustrie dekarbonisieren sollen, schaffen einerseits rechtliche Vorgaben für die Akteure – auch finanzieller Natur, andererseits aber auch wirtschaftliche Anreize: So ist der steigende CO2-Preis im Rahmen des Zertifikathandels ein zentraler Druckpunkt gerade für Unternehmen mit hohem Energieverbrauch. Sollten Industrieunternehmen weiter auf fossile Energieträger setzen, bedeutet das auch erhebliche finanzielle Belastungen bei gleichzeitig sinkender Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Unternehmen, die sich schon frühzeitig für eine Dekarbonisierung ihrer Prozesse entschieden haben.
Förderungsmöglichkeiten auf deutscher und europäischer Ebene locken derzeit noch mit großzügiger finanzieller Entlastung: Im Rahmen der Bundesförderung für Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft bezuschusst der Bund unter anderem die Installation von Hochtemperatur-Wärmepumpen in Unternehmen mit bis zu 55 %. Auf europäischer Ebene unterstützt die EU-Kommission etwa mit dem Industrial Decarbonisation Accelerator Act die Dekarbonisierung industrieller Prozesse und schränkt gleichzeitig mit der geplanten schrittweisen Abschaffung der Subventionen für klimaschädliche fossile Brennstoffe deren Wirtschaftlichkeit ein.
Für produzierende Unternehmen zeigen diese Maßnahmen eine klare Perspektive auf: Der Umstieg auf klimafreundliche Technologien ist alternativlos – und der richtige Zeitpunkt dafür ist jetzt.
Neue Synergien für erneuerbare Energien: Industriewärmepumpen eröffnen neue Integrationskonzepte
Hinzu kommt, dass der Einsatz von Industriewärmepumpen zur Prozesswärmeerzeugung ein Niveau vertikaler und horizontaler Integration ermöglicht, das beim Einsatz fossiler Energieträger schlicht nicht denkbar ist.
Mögliche Konzepte umfassen etwa:
- Effiziente Aufbereitung und Nutzung von Restwärme
- Solarstrom-Eigenproduktion, -nutzung, -einspeisung und damit einhergehende Kostensenkungen
- Integration und Nutzung der Abwärme aus anderen Prozessen (z. B. Rechenzentren, Biogasanlagen)
- Kombination mit Brüdenverdichtern für Dampftemperaturen von über 200 °C
- Dynamische Stromverträge zur Netzstabilisierung und weiteren Kostenoptimierung
- Kombination mit Solarthermie- und Geothermie-Anlagen
- Synergien beim Einsatz von Wärme- und Batteriespeichern zur Kostenoptimierung und Netzstabilisierung
Vor diesem Hintergrund bieten Hochtemperatur-Wärmepumpen die Chance, das Konzept Industrie 4.0 zum Standard zu machen. Smarte, vernetzte Technologien, Big Data und intelligente Fertigung ermöglichen den Bau intelligenter Fabriken, in denen Nachfrage und Angebot, Effizienz und Flexibilität, wirtschaftlicher Erfolg und nachhaltige Produktion einander die Waage halten.

Fazit: Die Zukunft wird elektrisch – und beginnt schon heute
Die Dekarbonisierung der industriellen Prozesswärmeerzeugung ist keine schwammige Möglichkeit und kein ferner Zukunftstrend, sondern längst Realität. Regulatorische Vorgaben, steigende CO₂-Preise und wirtschaftliche Vorteile machen die Prozesswärmeerzeugung mit Hochtemperatur-Wärmepumpen ökonomisch attraktiv und ökologisch sinnvoll. Das Ziel: eine energieeffiziente, resiliente und intelligente Industrie.
Unternehmen, die schon jetzt handeln, sichern sich nicht nur großzügige Fördermittel und langfristige Kostenvorteile, sondern positionieren sich als Vorreiter einer klimafreundlichen und wirtschaftlich nachhaltigen Produktion.
- [1]: https://www.hs-niederrhein.de/fileadmin/dateien/Institute_und_Kompetenzzentren/SWK_E2/DENEFF-HSNR-PrzWrm-Kurzstudie-2024-07-24.pdf
- [2]: https://www.bdew.de/energie/transformationspfad-gas/
- [3]: https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Gasversorgung/aktuelle_gasversorgung/_svg/Gaspreise/Gaspreise.html
- [4]: https://www.ise.fraunhofer.de/de/veroeffentlichungen/studien/wege-zu-einem-klimaneutralen-energiesystem.html
- [5]: Daten von Statista und BDEW zu Strom- und Gaspreisen für die Industrie