Entschlossen vorangehen: SPH und Push2Heat ebnen den Weg für Hochtemperatur-Industriewärmepumpen
Das EU-geförderte Push2Heat-Projekt soll technische, wirtschaftliche und regulatorische Hemmnisse beim Einsatz von Hochtemperatur-Wärmepumpen in der Industrie identifizieren und beseitigen. Auch SPH ist Mitglied des Push2Heat-Konsortiums. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über das Projekt, seine Mitglieder und über unsere Demonstrationsanlage, die in Kürze ihren Betrieb bei einem deutschen Spezialpapierhersteller aufnehmen wird.

Technologien zur Wärmeaufbereitung vorantreiben
Marktpotenziale öffnen und nutzen: Push2Heat für die Dekarbonisierung der Industrie
Push2Heat ist ein Projekt, das im Rahmen des zentralen Förderprogramms für Forschung und Innovation, Horizon Europe, von der EU gefördert wird. Ziel des Forschungs- und Innovationsprojekts ist der Abbau technischer, wirtschaftlicher und regulatorischer Hürden, die dem breit angelegten Einsatz von Technologien zur Aufwertung von Niedertemperatur-Abwärme aktuell noch im Weg stehen. Konkret meint das den Einsatz von Hochtemperatur-Industriewärmepumpen, die für die Dekarbonisierung der europäischen Industrie zentral sind.
Push2Heat soll die Energieeffizienz in industriellen Prozessen steigern und so den industriellen Energieverbrauch insgesamt reduzieren, indem Hochtemperatur-Industriewärmepumpen genutzt werden, um industrielle Abwärme auf ein höheres Temperaturniveau zu bringen und so erneut als Prozesswärme nutzbar zu machen. Damit leistet das Projekt einen überaus wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele: Die Industrie hat unter allen Einzelsektoren den größten Anteil am Gesamtenergiebedarf Deutschlands – sie ist für knapp 30 Prozent der hierzulande verbrauchten Energie verantwortlich. Von diesen 30 Prozent entfallen rund zwei Drittel auf die Erzeugung von Prozesswärme. Bislang wird diese Prozesswärme nach ihrer Nutzung aber nur in den seltensten Fällen weiter verwendet, was immense Energieverluste bedeutet.
Push2Heat: Technologische Ansätze und Ziele des Projekts
Push2Heat konzentriert sich auf Industriesektoren, für die Vorlauftemperaturbereiche zwischen 90 °C und 160 °C relevant sind. Dazu zählen beispielsweise die Lebensmittel-, Papier-, Chemie- und Pharmaindustrie.
Die Dekarbonisierungspotenziale dieser Branchen sind enorm, erklärt Maider Epelde, Koordinator des Push2Heat-Projekts:
„Betrachtet man die Anwendungen bis 200 ºC, so könnten Wärmepumpen potenziell 730 Terawattstunden pro Jahr (TWh/a) liefern; das sind 37 Prozent der Prozesswärme-Industrie, mit einem entsprechenden CO₂-Emissionsreduktionspotenzial von 146 Megatonnen jährlich.“
Maider Epelde, Koordinator des Push2Heat-Projekts
Die Projektpartner konzentrieren sich auf vier unterschiedliche Ansätze zur Aufwertung industrieller Abwärme:
- Industriewärmepumpen mit Kolbenkompressoren, zu denen der Thermbooster™ von SPH zählt.
- Industriewärmepumpen mit Turbokompressoren
- Absorptionswärmetransformatoren
- Thermochemische Wärmetransformatoren
Getragen wird das Projekt von einem Konsortium, zu dem Technologiehersteller wie SPH zählen, aber auch industrielle Endnutzer, Interessensverbände sowie akademische Forschungseinrichtungen und -organisationen wie die Fraunhofer-Gesellschaft und die TU Berlin.
Push2Heat hat fünf Ziele für das Projekt formuliert:
- Entwicklung und Integration wärmeaufwertender Technologien im Originalmaßstab.
- Demonstration der Technologien in reellen industriellen Prozessen.
- Entwicklung von Förder-Roadmaps, Geschäftsmodellen und vertraglichen Rahmenbedingungen.
- Bewertung wirtschaftlicher und ökologischer Effekte.
- Bekanntmachung der erzielten Ergebnisse.
Push2Heat läuft seit Oktober 2022 und wird noch bis September 2026 fortgeführt. Die Technologien werden aktuell bereits in den relevanten Industriezweigen integriert – SPH ist dabei Technologieentwickler und -lieferant des leistungsfähigen zweistufigen Industriewärmepumpensystems Thermbooster™.
Der Thermbooster™ im Push2Heat-Projekt: Dampferzeugung für die Papierindustrie
Als Hochtemperatur-Wärmepumpe, die dank eines eigens entwickelten Hochleistungs-Kolbenkompressors in Verbindung mit innovativer Prozesstechnologie Temperaturen von 180 °C und mehr erreichen kann, ist der Thermbooster™ das ideale Demonstrationssystem für die Bereitstellung von Prozessdampf.
Zur Demonstration und Bewertung der Technologie im Rahmen des Push2Heat-Projekts hat SPH gemeinsam mit dem Spezialpapierhersteller Felix Schoeller und dem Fraunhofer IEG ein Thermbooster™-System am Standort Weißenborn projektiert, installiert und wird dieses in Kürze in Betrieb nehmen – dabei handelt es sich um das erste Projekt seiner Art in Deutschland. Ziel ist es, aus niederwertiger Abwärme mit Temperaturen von 45 °C neuen Prozessdampf für den Trocknungsprozess zu erzeugen.
Felix Schoeller zählt zu den größten Spezialpapierproduzenten Europas. Am Standort Weißenborn betreibt das Unternehmen eine Anlage, die bislang ausschließlich mit fossilen Energieträgern arbeitet. Dabei führt insbesondere die Dampfproduktion für Trocknungsprozesse bei der Papierherstellung zu hohen CO₂-Emissionen. Obwohl der Produktionsprozess immenses Potenzial für die Rückgewinnung und Aufwertung von Abwärme bietet, wurde es bislang nicht vollständig ausgenutzt. SPH will einen Teil dieses Potenzials nun erschließen und als Prozesswärme nutzbar machen.
Thermbooster™ bei Felix Schoeller Weißenborn: Das Projekt im Überblick
Wärmequelle:
Abwärme aus dem Papiermaschinentrockner; Wasserglykolkreislauf aus der Abluftfeuchtwärmerückgewinnungsanlage
Temperatur der Wärmequelle:
46 °C zu 41 °C im Rücklauf
Wärmesenke:
Dampf bei 2,2 bar (a)
Temperatur der Wärmesenke:
123 °C
Kältemittel:
R515B (erste Stufe) und R1233zd (zweite Stufe)
Elektrische Leistung:
520 kW
Heizleistung:
1.180 kW
COP:
2,3
Prognostizierte CO₂-Einsparungen:
ca 1.200 t CO₂ pro Jahr
Der Thermbooster™ arbeitet mit zwei Kältemittelkreisen, um den hohen erforderlichen Temperaturhub zu leisten: Unsere Hochtemperatur-Industriewärmepumpe erzeugt Dampf mit der gewünschten Temperatur von 123 °C, der unmittelbar in der Produktion eingesetzt werden kann, und erzielt dabei einen COP von 2,3.

ThermBooster™ im Einsatz bei Felix Schoeller: Schematischer Aufbau des Systems im Überblick
Die genutzte Abwärme stammt aus der Abluft verschiedener Produktionsbereiche. Dazu kommen drei Luft-/Wasser-Wärmerückgewinnungssysteme zum Einsatz, sodass ein Wasser-Glykol-Kreislauf als Wärmequelle für den Thermbooster™ genutzt werden kann. Im Niedertemperaturbereich nutzt das Thermbooster™-System konventionelle Schraubenkompressoren, um den gewünschten Temperaturhub im Niedertemperaturbereich zu realisieren. Im Hochtemperaturbereich kommen dann von SPH entwickelte, hocheffiziente Kolbenkompressoren zum Einsatz. Alle eingesetzten Kompressoren werden durch drehzahlgesteuerte Hocheffizienz-Elektromotoren angetrieben, sodass auch im stufenlosen Teillastbetrieb hohe Wirkungsgrade erzielt werden. Die eingesetzten synthetischen Kältemittel weisen ein niedriges Treibhauspotenzial (GWP) auf und sind nicht brennbar.

Container-Integration ermöglicht hohe Vorfertigungsgrade
Das Thermbooster™-System ist in einen schalldämmenden Container integriert, der außerhalb der Maschinenhalle platziert wurde, um eine schnelle, simple Installation und Wartung zu gewährleisten. Da das gesamte Wärmepumpensystem inklusive der Schaltschränke und Steuerungselektronik im Container untergebracht ist, können wir einen hohen Vorfertigungsgrad realisieren und das gesamte System zuvor aufbauen und auf unserem Prüfstand testen. Die Hauptinstallation der Wärmepumpe erfolgt außerhalb des Produktionsgebäudes, sodass nur eine kurze Unterbrechung des Papiermaschinenbetriebs erforderlich ist, um die Verbindung mit den Anschluss- und Integrationspunkten – den Wasser-Glykol-Rohrleitungen und den Dampfzufuhrleitungen der Papiermaschine – herzustellen.
„Das Projekt Push2Heat ist Teil unserer Initiative „Grüner Leuchtturm“, mit der wir am Standort Weissenborn nachhaltige Technologien im industriellen Maßstab entwickeln und einführen. Die nachhaltige Erzeugung von Prozessdampf spielt dabei eine Schlüsselrolle für die erfolgreiche Transformation unserer Industrie.“
Hans-Christoph Gallenkamp, CEO, Felix Schoeller
Ausgefeiltes Mess- und Steuerungskonzept
Um optimale Effizienz und Leistung zu gewährleisten, nutzt die Anlage ein ausgefeiltes Mess- und Steuerungskonzept. Auf der Wärmesenkenseite speist der von der Wärmepumpe erzeugte Prozessdampf die Trockner. Hierbei handelt es sich hauptsächlich um einen Dampfdruckregelkreis. Wenn der Thermbooster™ den benötigten Dampfdruck für die Papiermaschine erreicht, kann Dampf aus der Wärmepumpe für diese Trocknergruppe und damit für den Trocknungsprozess verwendet werden.
Das Wärmepumpensystem hat in jeder der beiden Stufen zwei Hauptstellglieder: Das erste Stellglied ist ein Expansionsventil, das die Überhitzung im Verdampfer so regelt, dass der Verdampfer mit dem jeweils besten Wirkungsgrad läuft und den Verdichter vor Flüssigkeit im Sauggas schützt.
Das zweite Stellglied ist die stufenlose Drehzahlregelung der Verdichter, die einen direkten Einfluss auf die vom Thermbooster™ erzeugte Wärmeleistung haben. Das Wärmepumpensystem verfügt über zwei Drehzahlregler für den Verdichter: Der erste steuert den Dampfdruck an der Wärmesenke. Bei sinkendem Dampfverbrauch in der Papiermaschine steigt der Dampfdruck an. Sollte der Dampfdruck drohen, den Sollwert zu übersteigen, reduziert das System die Drehzahl der Verdichter, um den Dampfdruck durch Verringerung der Dampfproduktion konstant zu halten. Bei steigendem Bedarf und damit sinkendem Dampfdruck wird entsprechend die Drehzahl der Verdichter erhöht um den Dampfdruck beizubehalten. Der zweite Regler steuert die Austrittstemperatur der Wärmequelle, um zu verhindern, dass die Temperatur unter den Sollwert fällt und somit mehr Wärme aus der Wärmequelle entnommen wird als verfügbar ist. In diesen Fällen reduziert der Regler die Kompressordrehzahl. Mit abnehmender Drehzahl des Kompressors sinkt sowohl der erzeugte Dampfmassenstrom als auch die verbrauchte Wärmeenergie aus der Quelle.
Sensoren ermöglichen Fernwartung und umfangreiche Messungen
Neben Wärmezählern zur Messung der von der Wärmequelle erzeugten und von der Wärmesenke verbrauchten Wärme gehören zum Anlagenkonzept auch elektrische Verbrauchszähler, die alle elektrischen Verbraucher erfassen. Dazu gehören die Elektromotoren, Flüssigkeitspumpen, Zusatzheizungen und die Steuerungselektronik. Auf Basis dieser Messungen können die wichtigsten Leistungsindikatoren (KPIs) wie COP, SPF, PER (Performance Efficiency Ratio) und weitere Kennzahlen, die wichtig für die Bewertung der Effizienz und Effektivität des Systems sind, berechnet werden. Hieraus können auch Optimierungsmaßnahmen abgeleitet und zeitnah umgesetzt werden.
Zusätzlich werden u. a. Temperatur- und Drucksensoren installiert, um den Zustand der Wärmepumpe auch aus der Ferne überwachen zu können. Die Fernwartung ermöglicht die zeitnahe Analyse von Betriebszuständen, die direkte Umsetzung von einfachen Fehlerbehebungen und Optimierungsmaßnahmen.
Die Anlage wird gemäß der europäischen Norm EN 378 für Wärmepumpen ausgeführt, welche detailliert die Anforderungen an die Installation in Abhängigkeit vom verwendeten Kältemittel beschreibt und Vorgaben bezüglich des verwendeten Lüftungssystems und der erforderlichen Sicherheitseinrichtungen macht. DIN EN 378 beschreibt auch die erforderlichen Sicherheitseinrichtungen an der Wärmepumpe selbst, darunter etwa Sicherheitsüberdruckventile an den Hoch- und Niederdruckteilen für die Kältekreisläufe. Diese Sicherheitsventile werden so installiert, dass im Notfall freiwerdendes Kältemittel gefahrlos in die Umgebung entweichen kann.
Startschuss bei Felix Schoeller: Inbetriebnahme im Juni
Das Thermbooster™-Wärmepumpensystem bei Felix Schoeller soll im Juni 2025 in Betrieb gehen. Die dort erfassten KPI aus dem Realbetrieb sollen genutzt werden, um die Effizienz und Leistungsfähigkeit der Anlage faktenbasiert zu bewerten und weitergehend zu analysieren. Die zuständigen Teams bei Felix Schoeller und SPH freuen sich darüber, durch die Implementierung der Hochtemperatur-Wärmepumpe einen wichtigen Beitrag zur Demonstration der Leistungsfähigkeit und Praxistauglichkeit der Technologie zu leisten.
Die Anlage bei Felix Schoeller in Weißenborn ist eine von mehr als zehn kommerziell genutzten Hochtemperatur-Wärmepumpensystemen, die SPH im Jahr 2025 in Betrieb genommen hat oder noch in Betrieb nehmen wird.

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